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2020 – Das Jahr, in dem die Grenzen zwischen Rennrad und Offroad immer weiter verwischen. Der Staub der Schotterpisten legt sich auf den Asphalt, das klassische Terrain der schmalen Reifen und Aero-Rahmen. So stelle ich mir die alles entscheidende Frage: Kann ein Gravel-Bike mein 7,3kg leichtes Carbon-Rennrad ersetzen? – Eine Abhandlung was ein Gravel-Bike können muss in mehreren Akten.

Letzten Winter habe ich mich von meinem Gravel-Rad getrennt. Über Schneepisten und Singletrails ging es das ganze letzte Jahr durch den Sachsenwald, die Harburger- und Schwarze-Berge als auch die Nordheiden. Selten hat es mich im Stich gelassen dabei hat es aber immer Spaß gebracht. Doch das war nur der Einstieg, ich möchte ein Rad das deutlich besser meinen Anforderungen entspricht. Was Farbe, Gewicht, Übersetzung und Schaltung und vieles mehr betrifft. Schnell fand sich ein Käufer für mein Cyclocross-Rad und seitdem fülle ich Excellisten mit Rädern und techn. Specs.

Renn-Gravel-Rad?

Doch nun will ich auch mein Rennrad loswerden, denn wer sagt, dass mein gesuchtes Traumrad nicht beides kann? Bin ich dem Marketingsprech verfallen, oder existieren sie mittlerweile, die wahren Allroad-Bikes?

Ganz schön viel für eine Einleitung – also noch Mal langsam. Irgendwie bin ich mittlerweile der Meinung, dass mir ein zu spezialisiertes Rad meinen Ansprüchen nicht gerecht wird. Ich bin weder Triathlet noch bin ich vollblut Rennradfahrer. Randoneuring trifft es schon eher, aber auch Gran Fondo. Oder auch Gravel Fondo. Mit der Abwechslung vom Rennrad, das federleicht ist und durch eine aerodynamische Sitzposition den Spaß durch Geschwindigkeit bringt. Oder auch gerne Touren fährt, bei denen jeder Untergrund eine schöne Abwechslung bietet und man durch sein Gefährt nicht eingeschränkt wird.

Was muss ein Gravel-Bike können? Was sind meine persönlichen Vorstellungen? Wie wird das Rad eingesetzt?

Das neue Rad soll für kurze Etappen (1 bis max. 2 Tage) genutzt werden. Besonders für bergige Strecken. Dabei jeden Untergrund beherrschen, von Schotter bis Straße. Gepäckträger und Spritzschutz sind nur Option (Clip-Ons und kleine Taschen absolut ausreichend). Zuletzt sollte das Rad mit extra leichten Reifen und einer „supple“ (geschmeidig, weich und flexiblen) Karkasse ausgestattet sein.

Denn es macht sich auch im Rennradsektor eine Erkenntnis breit: Große und breite Reifen sind nicht langsamer, als besonders hart aufgepumpte und schmale Rennradreifen – denn die nachgiebige Karkasse rollt besser ab und bietet dabei mehr Federung, was zu einer geringeren Langzeitbelastung und auf lange Distanzen zu weniger Ermüdung führt. Alles Faktoren, die beim klassischen Reifen-Geschwindigkeits-Vergleich untern Tisch fallen und Rennradreifen über Wert schätzen.

Manche Experten sprechen sogar davon, dass der aktuelle Trend im Pro-Peloton breitere Reifen zu fahren, sich weiter fortsetzen wird. Bis man sogar bei 38mm breiten Reifen angekommen ist (aber auf kleineren Felgen). Ob es wirklich so weit kommt?

Was soll mein Rad also können:

  • Gewicht: Es muss leicht sein (< 9kg); da ich bereits ein Allroad-Tourenrad (Stahlrahmen, knapp 12,5kg mit allen Anbauteilen) besitze, ist das eines der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zum bestehenden Fuhrpark.
  • Bequem: Die Fahrposition sollte nicht zu sportlich sein, eine stabile Geometrie ist in Ordnung. Also ein Stack-to-Reach-Faktor von 1,5+ und ein Radstand über 1030mm. Ein Nachlauf von 60cm und mehr mit entsprechend stabiler (aber weniger wendiger) Lenkeigenschaften
  • Großspurig: Reifen der Größe 40mm bis 45mm (700C Felgen) sollte der Sweetspot sein. Optional 650B Reifen wären ein super Feature.
  • Spritzschutz ist optional als Clip-On gedacht.
  • Kompatibel: Die Laufräder sollten Kompatibel zu meinem bestehenden Fuhrpark sein (160mm Scheibenbremsen, Steckachse 12mm oder 15mm). Nabendynamo von Shutter Precision, damit sogar das Licht wiederverwendbar ist.
  • Übersetzung: Ein 1x Antrieb würde ich bevorzugen, um damit Erfahrung zu sammeln und Gewicht und Komplexität zu reduzieren. Eine Di2 Shimano GRX Schaltgruppe wäre mein Favorit.
  • Schön: Das Rad muss gut aussehen. So objektiv ich versuche zu bleiben so emotional wird am Ende die Kaufentscheidung doch bleiben. Ein Rad, das mich nicht anspricht, werde ich mir aber nicht zulegen.

Weitere Fragen, die sich jeder Käufer noch stellen sollte, wären natürlich: Budget. Für mich gilt aber: es soll so teuer wie nötig sein um den Anforderungen gerecht zu werden, aber Summen weit der 3.500€ habe ich nicht vor Augen.

Frameset oder Komplettrad?

Für mich ist die Option den Rahmen von 0 auf selbst aufzubauen eine gute Übung. Das aktuelle Stahlrahmen-Tourenrad habe ich selbst gelötet und dann um alle Komponenten ergänzt um ein vollständiges Rad zu erhalten. Aber ein Rad, das genau meinen Vorstellungen entspricht und von der Stange kommt wäre genau so gut. Denn der Markt für Kompletträder ist deutlich größer als nackte Framesets.

Hier findet ihr meine komplette Recherche-Ergebnisse:

https://docs.google.com/spreadsheets/d/1OqmKKBuJhnhwMZehirMztZbpHyl4xKeeZtLoGVC69Dw/

Folgende Angebote habe ich in meine Übersicht aufgenommen. Darüber hinaus gibt es noch unzählige Räder, es ist nahezu unmöglich einen vollständigen Marktüberblick zu bekommen. Während man alle Specs eines Rads in die Liste gesammelt hat sind schon 2 neue Räder auf den Markt gekommen. In meine Liste kommen grob folgende Räder in Frage, die:

  • nicht hässlich sind (ich habe aber eine Ausnahme für das CANYON Grail gemacht),
  • high-end Komponenten haben,
  • sehr leicht sind,
  • moderne Bremsen und Schaltung haben (dabei sage ich nicht, dass Scheibenbremsen oder elektrische Schaltung besser ist, durchaus haben etablierte Systeme auch ihre Vorteile und werden weder aussterben noch obsolet)
  • und für die ich Zeit finde die Specs einzutragen (das ist mehr Arbeit als man meint)

Die abgefragten Eigenschaften sind dabei auf meine Anforderungen angepasst (möglichst 12×100 und 12×142 Steckachsen, Center Lock 160mm Scheibenbremsen, usw.)

Die Kandidatenwertung

Folgende Räder fand ich in meiner Sammlung am spannendsten. Weil sie eine Top-Preisleistung bieten oder besonders gut auf mein Anforderugsprofil passen.

Basso Palta 2019

Sehr gut: Es ist superleicht (8,3kg), Optional als Frameset oder sogar im Shop individuell konfigurierbar nach meinen Vorstellungen. Die Farbe ist der Knaller und das Design mit dem exakt waagrechten Oberrohr gehört zu meinen absoluten Favoriten. Es gehört dabei zum sportlichstem Spektrum in meiner Auswahl, was die Geometrie angeht.

Bombtrack Hook EXT-C 2020

Sehr gut: Es macht alle Häkchen bei den Anbauteilen (Flaschenhalter im Rahmendreieck, am Unterrohr, am Oberrohr und an der Gabel). Das ist selbst für Gravel-Bikes außergewöhnlich und ist typisch für Bombtrack, die ganz vorne in der Bikepacking Rubrik mitmischen. Das Rad gefällt mir vor allem von der Preis-Leistung, da es mit 2.990€ fast alle Checkboxen abhakt. Jedoch ist es mir sehr wichtig, dass die Komponenten von Shimano sind, da ich bereits meinen Fuhrpark darauf ausgerichtet habe. Gerade bei hydraulischen Bremsen ist es unnötig schwer zwischen SRAM und Shimano zu springen, die gänzlich unterschiedlich entlüftet und gewartet werden.

Rose Backroad GRX

Sehr gut: Bei Rose kann man das Rad exakt nach seinen Vorstellungen zusammenstellen. Was im Online-Konfigurator nicht geht kann man einfach im direkten Gespräch klären. Auch das Rad wäre von der Preis-Leistung unschlagbar gut. Gleichzeitig bin ich vom Design mehr als begeistert. Kein Wunder, dass im Gespräch mit Rose mehrfach zu hören war, dass das Backroad sich aktuell verkauft wie geschnitten Brot. Etwas ungewöhnlich ist die 15x100mm Steckachse vorne (statt 12mm). Mir fehlten am Ende aber auch die erweiterten Möglichkeiten für Flaschenhalter am Ober- und Unterrohr als auch an der Gabel.

Trek Checkpoint SL 2020

Sehr gut: Das Trek Checkpoint schafft es die sportliche Geometrie gut zu strecken, denn es lässt besonders große Reifen (45mm) zu, hat ein Stack-to-Reach Verhältnis von über 1,5 und einen stabilen Radstand. Zudem kommt noch eine gefederte Sattelstütze hinzu, die einen besonderen Kniff nutzt: das Sattelrohr ist nicht fix mit dem Oberrohr und Sattelstreben verbunden. Dadurch gibt es mehr Flex in der Sattelstütze, wodurch weniger Vibration am Fahrer ankommt. Gleichzeitig tickt das Trek alle Checkboxen bei den Anbauteilen: Ober- und Unterrohr, Rahmendreieck und an der Gabel. Bingo!

Fazit – Mein neues Rad ist…

Alle genannten Räder haben ihre Vor- und Nachteile. Ich habe mich für das Trek Checkpoint SL 2020 Frameset entschieden. Und werde es als GRX Di2 mit 1×42 Schaltung aufbauen. Dabei werden die Laufräder kompatibel sein mit meinem aktuellen Randonneur-Rad, welches hydraulische Shimano 105 Komponenten hat.

Das 2020 Fahrradaufbau-Projekt hängt schon vor den Augen 🙂

Welches Rad würdet ihr euch holen? Welches fehlt in der Liste?